Obwohl die modernen Kommunikations- technologien den Demokratiebewegungen vor allem bei der Mobilisierung von Menschen und der Verbreitung ihrer Message von großer Hilfe sind, handelt es sich bei den aktuellen Volksaufständen entgegen der Meinungen vieler AnalystInnen wie bei- spielsweise Asiem El Difraoui (Stiftung Wissenschaft & Politik) oder Peter Beaumont (The Guardian) nicht um Twitter-, Facebook- oder sonstige Social Media- Revolutionen. Tatsächlich gehen die Menschen vor allem dann auf die Straße, wenn ihnen der Zugang zu den üblichen Kommu- nikationswegen von den Regimen verwehrt wird. Zur notwendigen Veränderung gehört vielmehr, wie Popovic es in seinen Workshops passend beschreibt, die stete – friedliche – Bearbeitung der wichtigsten Säulen der Regimes. Es gilt, Säulen wie die Exekutive oder die Justiz, von der eigenen Sache zu überzeugen, auf die Seite einer neuen, besseren Zukunft zu bringen. Im gewaltlosen Kampf wiegt am meisten, wie viele Menschen sich gegen die Unterdrückung zusammentun. Nur wenn sich die Regime einer zahlenmäßig überwältigenden und einheit- lich handelnden Mehrheit gegenübersehen, könne man beginnen, ihre Macht auszuhöhlen.
Im Zentrum unseres Dokumentarfilmes „Everyday Rebellion“ stehen Beobachtung und Analyse der vielfältigen kreativen Methoden des gewaltlosen Protestes, die derzeit von einer rasant wachsenden Zahl von Menschen weltweit praktiziert werden. Menschen, die den derzeit- igen Zustand unserer Welt nicht mehr hinnehmen wollen und für neue Formen des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusam- menlebens kämpfen. Zugleich gibt der Film einen tiefen Einblick in das Leben der AktivistInnen, die nicht selten ihr Leben riskieren, um für uns alle eine bessere Zukunft zu ermöglichen: ihre Arbeit begleitend erfahren wir von ihren Motivationen und Zielen, ihren Zweifeln und Überzeugungen, ihrer Wut und ihrem Glück. Aber in dem wir diese Menschen beobachten, lernen wir nicht nur Individuen kennen, sondern wir erfahren und erleben auch die tiefen, nicht mehr zu überdeckenden Verwerfungs- und Bruchlinien, die sich durch unsere heutige Welt und ihre sich derzeit auflösende „Ordnung“ ziehen.
Dazu gehören in den jeweiligen betroffenen Ländern lebende Aktivist- Innen genauso wie ExilantInnen oder KünstlerInnen, die meist die Vorhut des alltäglichen Widerstandes bilden, verarbeiten doch viele von ihnen die mangelnden Menschenrechte in ihrem Land in ihrer Arbeit. Vor allem sind subversive Kunstrichtungen wie Street Art maßgeblich dafür verantwortlich, dass friedliche Demokratiebewegungen zu Beginn ihrer Geschichte eine Öffentlichkeit bekommen. Auf diesem Weg soll auch auf verbotene KünstlerInnen und Kunstrichtungen in vielen autoritär geführten Ländern hingewiesen werden. Da eine der wesentlichen Dynamiken des Films und seiner Erzählung darin besteht, dass sich die Hot Spots der Revolte mit einer großen Geschwindigkeit und völlig unberechenbar weltweit ausbreiten, kann niemand sagen, wo die nächsten friedlichen Proteste ausbrechen werden. Der gewaltlose Widerstand hat mittlerweile nicht nur die arabische Welt erreicht, sondern wird von vielen Bewegungen auf der ganzen Welt angewandt. Gewaltloser Widerstand wird zusehends Mainstream und das ist auch gut so! (16.04.2012)
Leave a Reply