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Ein Brief aus Instanbul (2)

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(English translation)

Ihr Lieben,

Gestern Nacht ist Erdogan von seiner Reise zurückgekehrt. Wir saßen gespannt vor dem Rechner um seine Rede, die natürlich auf sämtlichen Sendern übertragen wurde mitzuverfolgen. Viel verstanden habe ich leider nicht und Gizem musste immer wieder übersetzen. Er sprach davon, dass die Demonstranten den Boden der Demokratie und der Legalität verlassen hätten und, dass sie sofort gestoppt werden müssen. Die zusammengetrommelten Anhänger, die ihn am Flughafen empfingen riefen etwa: “Gib den weg frei und wir machen den Park platt”. Alles was bisher passierte, ist nach Erdogan auf dem Boden der Demokratie passiert. Stattdessen nannte er die Demonstranten Vandalen, Terroristen, sprach von brennenden Autos und, dass unschuldige Menschen Schaden zugefügt wurde. Die ganze Inszenierung war sehr gruselig.

Am Ende seiner Rede sagte er, dass alle friedlich nach Hause gehen sollen, sie hätten sich ja schon 10 Tage ruhig verhalten, was er sehr lobte. So als würde er sie bändigen. Die Fernseh-Sender sagten es seien 20.000 Menschen zum Flughafen gekommen um ihn zu empfangen und seine Rede zu hören, Zeit-Online sprach heute von 10.000. Ich habe auch gehört, dass Erdogan eigentlich um 21.00 abends landen sollte, sein Flugzeug jedoch “Verspätung” hatte, damit noch mehr Anhänger organisiert werden konnten, um die Inszenierung zumindest im TV aufrecht zu erhalten.
Sechs türkische Tageszeitungen tragen heute Morgen den gleichen Titel: “Wir opfern unser Leben für demokratische Forderungen”, ein Zitat aus der Rede Erdogans.
Ich will mir nicht vorstellen, dass Erdogan tatsächlich Leute mobilisieren kann, die diesen Platz angreifen, aber Deeskalation war das definitiv nicht. Es wurde fleißig gepostet gestern Nacht. Unter anderem:

“TurkishCrimeMinister is literally inviting the civil war. I hope no blood spills tomorrow. Round 2 has began.”

Aber die Leute hier sind friedlich. Der Park ist eine autonom verwaltete Zone, vor einer halben Stunde hat die offene Uni ihren ersten Kurs gegeben, der Gemüsegarten wächst, es kommen immer mehr Menschen, es gibt Kunst-Projekte, soooo viel zu essen und es ist einfach total schön mit anzusehen, was sich auf diesem riesigen freien Gelände ereignet. Die Leute sind perfekt organisiert, alle helfen mit und: Es wird überall Bier verkauft. Es ist wirklich eine autonome Zone, der Hammer, ich wünschte ihr könntet das sehen!

Liebe Grüße! Judith

Artikel der Zeit-Online

 

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